ROS 407 "Carlo Schönhaar"

ROS 407 war der siebte Zubringer-Trawler für das Fiko Rostock. Indienststellung 24.11.1966, Verschrottung im Mai 1987. Techn. Daten: Länge 61,1m; Breite 10,6m; Tiefgang 4,7m; Hauptmaschine 1750 PS; Verstellpropeller, Geschw. ca. 12,5 Knoten; Nutzladung ges. 569,6to ; Besatzung 19 Mann. (Quelle www.rostocker-hochseefischerei.de)

Die Z-Trawler waren sogenannte Heckfänger. Während bei den ursprünglichen Fischereischiffen (Kutter, Logger, Trawler usw.) die Netze bei dwars zur See liegendem Schiff über die Seite (Stb. /  Bb oder sogar beide) ausgesetzt und gehievt wurden, erfolgte dies bei Heckfängern über eine sich am Heck befindliche Slip. Diese Technik war in allen Belangen den Seitenfängern weit überlegen. Die Arbeiten gingen schneller, waren leichter und deutlich flexibler bei einem notwendigen Geschirrwechsel.
Zudem waren diese Schiffe aufgrund ihren Antriebstechnik (starke Maschinen mit Verstellpropeller) schneller und wendiger.
Aber auch das Wohnen an Bord war wesentlich angenehmer. Dazu gehörten moderne Kabinen, ständig nutzbare Duschen und Waschmaschinen für die persönliche Wäsche. Dinge von denen die Besatzungen der alten Schiffe nur träumen konnten.

Dieser Schiffstyp war, wie der Name "Zubringer"-Trawler schon aussagt, nur als reiner Fischfänger konzipiert. Der gefangene Fisch wurde an Mutterschiffe übergeben. Zur Zwischenlagerung dienten zwei Laderäume. Sogenannte "Bunker". Einen an der Stb.-Seite und einen an der Bb.-Seite. Befüllt wurden sie über eine Decksluke unmittelbar vor der Heckslip, über die das Fanggeschirr ausgesetzt, bzw. eingeholt (gehievt) wird. Verteilt und eingelagert wird der im Bunker liegende Fisch über ein Förderbandsystem unter Beigabe von relativ dünnem "Platteneis". Dieses Eis wurde von einer an Bord befindlichen Eismaschine hergestellt, was nicht immer problemlos funktionierte.
Die Befüllung des Übergabesteertes erfolgte mittels Fischpumpen. Dazu befanden sich beidseitig der Heckslip - etwas versetzt auf Höhe des Hauptdecks - entsprechend große Rohre. Über diese wurden die Ü-Steerte gezogen und befestig. Dann wurden die Bunker mit Wasser geflutet und der Fisch wurde mit dem Wasser in die Ü-Steerte gepumpt. War der Ü-Steert voll (bzw. der Bunker leer), wurde dieser verschlossen, mit einer 100...120mm dicken Hiev-Leine, sowie mit schwimmenden "Korkleinen" versehen. Korkleinen waren PA-Seile, die ca. alle 2m einen kleineren und am Ende einen größeren Ekazellschwimmer hatten. Zur besseren Sichtbarkeit wurden diese Einheiten mit großen Gummiblasen und nachts mit Grubenlampen versehen, die in großen (ca. 50x50x60cm) Ekazellkörpern eingelassen waren.
War das alles abgeschlossen, wurde der Ü-Steert vom übergebenden Schiff abgestoßen und das Mutterschiff hat diesen aufgegriffen.
Diese Technik funktionierte in aller Regel reibungslos. Es kam natürlich auch zu Problemen. Die Ü-Steerte gingen z.B. verloren, weil die Schwimmer sie nicht hielten, die Grubenlampen gingen nachts plötzlich aus, oder sie kamen beim Manövrieren in die Schiffsschraube.

Trotz allem Komfort war dieses Schiff nicht mein Lieblingsschiff, mein "Stammschiff". Der  Aufenthalt war nur aus der Not heraus. Ich hatte mein Stammschiff wegen einer blöden, selbstverschuldeten Sache, auslaufen lassen müssen: Nach drei Monaten auf See waren wir im Juli 1967 am Strand von Warnemünde. Dort bin ich in praller Sonne eingeschlafen. Natürlich ohne Sonnenschutz! Die Folge waren schwere Verbrennungen, mit anfänglich heftigsten Schmerzen, die mich für drei Wochen seeuntauglich machten.
Die Reise auf der "Schönhaar" war klimatisch fast eine Urlaubsreise. Sie dauerte von August bis November 1967. Als wir im August ausliefen war sehr schönes Sommerwetter. Vom Schiff aus hatte ich ein paar Frachter und den DDR-Kreuzliner "Fritz Heckert" fotografiert, die im Überseehafen oder in der Warnow-Werft lagen. Beim passieren der Warnemünder Molen machte ich einen Schnappschuss von der Westmole. Mit Molenkopf, Leuchtturm und dem alten Teepott. Dieses Foto ist normalerweise eine Farbaufnahme. Wegen schlechter Farbqualität u.a. Schäden musste ich es aufwendiger bearbeiten. Da es in schwarz-weiß deutlich besser aussieht, habe ich mich dafür entschieden.
Dann gab es noch eine Begegnung mit Fähre "Warnemünde", die gemeinsam mit dänischen Fähren zwischen Gedser (DK) und Warenmünde pendelte. Sie wurde 1963 in Dienst gestellt. 1995 wurde der Fähr-Verkehr zwischen Warnemünde und Gedser eingestellt. Die Fähre "Warnemünde" wurde nach Italien verkauft...

Wir hatten die ganze Reise fast nur schönes Wetter und es war teilweise sehr warm. Wir waren im Seegebiet südlich Neufundlands auf Rotbarsch.
Zwei Ereignisse sind zu nennen. Einmal sind wir in einen Ausläufer eines Wirbelsturmes geraten, der uns für kurze Zeit ordentlich durchgerüttelt hat.
Ein anderes Mal hatten wir einen Steert in der Schraube und waren manövrierunfähig. Die Fotos mit den Tauchern an Bord gehören zu diesem Ereignis. Sie sollten abklären, ob ein Befreien der Schraube mit Bordmitteln möglich ist. Dem war nicht so. Zeitgleich waren ein paar Biologen mit an Bord, die sich für Fische, Seesterne u.a. Meeresgetier interessierten.

Die "Cottbus", ROS 225, ein Trawler Typ 3, schleppte uns in den Hafen von Saint-Pierre Island, um ausländische Hilfe in Anspruch zu nehmen. Sankt-Pierre Island ist eine zu Frankreich gehörende Insel, mit kleinem Hafen und kleinem Flugplatz und damals ca. 8.000 Einwohnern. Fischerei und Tourismus waren - und sind es lt. Wikipedia immer noch - die Haupteinkünfte der dortigen Einwohner, die heute mit knapp 6.000 beziffert wird.
Wir waren nicht allein dort! Im Hafen lagen schon zwei BRD-Schiffe. Die "Bonn", eines der weltweit modernsten Heckfänger seiner Zeit, der sogenannten "Universitätsklasse". Ein Schiff, welches den Fang zu Filet verarbeitet und tiefgefrostet hat. Ähnlich der Fang- und Verarbeitungsschiffe des Fiko Rostocks. Nur etwas kleiner.
Das zweite BRD-Schiff war ein Kühlfrachter. Der, wenn ich das richtig in Erinnerung habe, Frostware (oder Teile davon) der "Bonn" übernommen hat.
Somit waren vier deutsche Schiffe mit insgesamt ca. 80...100 vergnügungssüchtigen Seeleuten in diesem kleinen Ort. Wer in etwa Kenntnis davon hat, wie es damals unter Seeleuten zuging, kann sich vorstellen, was dort abging. Der Kurs des damaligen französischen Franc zu DM war 60:1. Der Umtausch passte in kein Portemonnaie. Die Kneipen und Diskotheken quollen über, und so mancher Rollladen wurde wohl früher runtergelassen, als sonst üblich. Und so manches Mal haben wir uns dafür geschämt. Aber so war es nunmal - damals.
Aber es gab auch sehr vernünftige Begegnungen zwischen Ost und West. Mit Erfahrungsaustausch auf beiden Schiffen.
Nach drei Tagen war alles vorbei, das Schiff war wieder seeklar und der Fischereialltag hatte uns wieder...

Die Reise plätscherte so dahin. Wie bereits erwähnt, machten wir zwischendurch kurz "Bekanntschaft" mit dem Ausläufer eines Hurrikans, die sich jedes Jahr von Juni bis November in der Karibik austoben. Er war kurz, aber heftig. Und so schnell wie er da war, war er wieder weg. Angekündigt hatte er sich mit beeindruckendem Gewölk. Der Abgang war weit weniger imposant.
Zwischendurch übergaben wir Brennstoff (Diesel) an den (Seiten)-Trawler  "Oelsnitz im Vogtland" ROS 218.
So um den 10.11.67 gingen wir auf Heimreise. Mit magerem Fangergebnis. Ca. 9 Tage später liefen wir in Warnemünde ein.

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Jahre später, am 22.08.1970, geschah etwas, was für jeden Seemann der absolute Horror ist: Schiffsbrand! Im Hafen Marienehe, an der Pier liegend.
Zu dieser Zeit war ich auf dem damaligen großen Netzboden an der Warnow-Pier beschäftigt. Als ich mich morgens zum Dienstbeginn dem Netzboden näherte, erfuhr ich vom "Buschfunk" von dieser Tragödie.
Die "Carlo Schönhaar" lag unmittelbar an der Pier neben dem Netzboden. Furchtbarer Brandgeruch lag in der Luft. An Bord durfte noch keiner. Innen zu heiß, hieß es.
Was war geschehen? Tags zuvor sollte das Schiff zum Fang auslaufen. Irgendein technisches Problem verhinderte dies. Es kam zum sogenannten "Überlieger". So nannte man das, wenn das Schiff zwangsweise im Hafen liegen bleiben musste.
Das Schiff war voll ausgerüstet, es gab somit nichts Dringendes an Bord zu tun. In diesen Fällen begibt sich die Gang auf Landgang. Irgendwann nachts kamen Teile der Gang an Bord zurück. Man hatte was getrunken, man schnackte noch miteinander, bevor man in die Koje ging. Natürlich wurde auch geraucht. (Damals hat jeder geraucht!)
In den frühen Morgenstunden, irgendeiner hat seine Kippe nicht ausgemacht, kam es zum Schwelbrand. Später zum offenen Feuer.
Großes Glück war, dass nicht alle Besatzungsmitglieder an Bord waren. Ein Teil der Crew hatte es vorgezogen, die Nacht im Seemannsheim zu verbringen. An Bord hat niemand den Brand überlebt. Den Koch fand man in seiner Kammer tot am Tisch sitzend. Vor sich ein großes Fenster, welches (hinter der Winde) zum Hauptdeck zeigte.
Meines Wissens sind bei dieser Tragödie fünf Seeleute ums Leben gekommen.
Tage später hatte ich Gelegenheit an Bord zu gehen. Auch die Kammer, in der ich vier Jahre zuvor logierte, war total ausgebrannt. In einer Ecke lag u.a. ein geschmolzener Rasierapparat. Das Gefühl war unbeschreiblich - kaltes Grauen und Fassungslosigkeit...


01_Frachter Quedlinburg, Bild 078
01_Frachter Quedlinburg, Bild 078
01.1_Kreuzliner Fritz Heckert, Bild 080
01.1_Kreuzliner Fritz Heckert, Bild 080
02_Faehre Warnemuende, Bild 003
02_Faehre Warnemuende, Bild 003
03_Faehre Warnemuende, Bild 004
03_Faehre Warnemuende, Bild 004
04_Ausreise, Arbeitsdeck, Bild 047
04_Ausreise, Arbeitsdeck, Bild 047
05_Bruecke, Bild 006
05_Bruecke, Bild 006
06_Bruecke, Bild 007
06_Bruecke, Bild 007
07_Bruecke, Bild 008
07_Bruecke, Bild 008
08_Bruecke, Bild 009
08_Bruecke, Bild 009
09_Bruecke, Bild 010
09_Bruecke, Bild 010
10_Bruecke, Bild 011
10_Bruecke, Bild 011
11_Hieven, Bild 012
11_Hieven, Bild 012
12_Hieven, Ponny-Bretter, Bild 013
12_Hieven, Ponny-Bretter, Bild 013
13_Hieven, Headleine, Bild 014
13_Hieven, Headleine, Bild 014
14_Hieven, Headleine, Bild 015
14_Hieven, Headleine, Bild 015